Der böse Chinese?

Fratzscher: „China könnte seine US-Staatsanleihen als Waffe nutzen“
Trump: „Wenn China DIESE Karte spielt, stürzt es die USA ins Chaos“
„Staatsanleihen plötzlich im Abverkauf – großer Knall voraus?“
„Handelskrieg: Sind US-Staatsanleihen Chinas „nukleare Option“?“

Ja, da waren sie wieder. Die Kassandra Rufer und Untergangsphilosophen, die mit der „nuklearen Option“ wedelten, die China angeblich gegen die USA einsetzen könnte und damit zum Glück nicht die alles zerstörende Bombe meinten, sondern „nur“ den massiven Verkauf von US-Staatsanleihen.

Nun gut, auf der einen Seite hatte Donald Trump mit seinem „Liberation Day“ für maximale Verwirrung und Irritationen gesorgt und damit den Grundstein für die nachfolgenden Reaktionen an den Kapitalmärkten. Da stach der Anstieg der Renditen für langlaufende US-Staatsanleihen nun einmal ganz besonders ins Auge. In nur fünf Handelstagen sprang die Rendite für 30-jährige Treasuries von 4,38 auf 4,88 Prozent. Das war starker Tobak und ein klares Misstrauensvotum für die Trumpsche Wirtschafts- und Finanzpolitik. Andererseits, und das ist dann doch überraschend, nahm die Anzahl von Artikeln mit dramatischen Schlagzeilen im Tenor wie die von mir eingangs zitierten dramatisch zu. Überraschend ist dies deshalb, weil die Schlagzeilen einem Faktencheck überhaupt nicht standhalten. Man darf also vermuten, dass eine kräftige Schlagzeile dem Verfasser erheblich wichtiger war als eine präzise Analyse:

Der Mythos, dass China einen gigantischen Bestand an US-Staatsanleihen hält, und diesen bei Bedarf zur Zerstörung der USA auf dem Wege der Destabilisierung der amerikanischen Finanzmärkte einsetzen könnte, ist genau das: ein Mythos.

China hat im Verlauf der letzten Jahrzehnte aufgrund seiner Exportüberschüsse im Handel mit den USA einen hohen Überschuss an US-Dollar erzielt. Oder, von der anderen Seite betrachtet: Die USA erwarben einen Großteil der chinesischen Produkte auf Pump und finanzierten dies mit einer Erhöhung ausgegebenen Finanzierungstitel. Vor knapp 15 Jahren hielt China deswegen rund 1,3 Billionen Dollar in US-Staatsanleihen. Das waren damals fast 20 Prozent aller ausstehenden Treasuries! Doch danach setzte eine langfristige, relativ gleichmäßige Gegenbewegung ein. China baute den Bestand an US-Staatsanleihen systematisch ab. Im Jahre 2017 lag der prozentuale Anteil nur noch bei 10 Prozent. Aktuell hält China noch etwa 800 Milliarden an US-Staatsanleihen. Dies entspricht jedoch aufgrund des erheblichen Anstiegs der Kreditaufnahme der USA nur noch einem Anteil von 2,8 Prozent! Japan hält etwa 300 Milliarden Dollar mehr und hat damit China als größter ausländischer Gläubiger der USA abgelöst. Die US-Notenbank FED hält dagegen immer noch rund 20 Prozent aller US-Staatsanleihen und könnte selbst einen Totalverkauf aus China bequem abfedern. Weiterer Fakt zum Handel in Treasuries: Der tägliche Umsatz beträgt rund 1000 Milliarden täglich. Ein weiteres Indiz gegen die These, dass China mit dem Abverkauf seiner Bestände in amerikanischen Staatsanleihen ein Erdbeben auslösen könnte.

Neben den aufgeführten Fakten bleibt dazu fraglich, welches Ziel China mit dem massiven Verkauf seiner US-Staatsanleihen Bestände verfolgen sollte. Schließlich würde damit das sorgsam austarierte Devisenverhältnis zwischen Yuan und US-Dollar gesprengt, mit unvorteilhaften Folgen für die chinesische Seite.

China allein würde und könnte also die Grundfeste des US-Finanzsystems nicht gefährden. Die Ereignisse der letzten Wochen zeigen aber sehr genau auf, wo die Grenzen für die chaotische Wirtschafts- und Finanzpolitik der Trump Administration liegen. Bisher galten die US-Staatsanleihen als sicherer Hafen und profitierten trotz ausuferndem Staatsdefizit von diesem Nimbus in Form von niedrigen Zinsen. Die US-Regierung ist nun aber auf dem besten Wege diesen Vorteil in einen Nachteil zu verwandeln. Denn selbstverständlich zehren die gestiegenen Zinssätze am US-Budget und verteuern die in diesem Jahr anstehenden Anschlussfinanzierungen in von fälligen Staatsanleihen in einem Volumen von rund 10 Billionen US-Dollar.

Ein interessantes Detail zum aktuellen Zinsniveau in den USA: Genau vor einem Jahr stand die Rendite der 10-jährigen Treasuries auf dem gleichen Niveau wie vor 14 Tagen. Und auch der bekannteste Aktienindex der Welt, der Dow Jones 30, stand vor einem Jahr auf demselben Kursniveau wie in den letzten Tagen. Dass durch die Turbulenzen erreichte Zinsniveau liegt damit weiterhin auf einem annehmbaren Niveau und die Fähigkeit der Kapitalmärkte sich damit zu arrangieren sollte aktuell gegeben sein.

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